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Martyrium
Wie oft sah er in seinem Traum schon dieses Schreckensbild.
Jahrelang lebte er in der Erwartung dieses Todestags.
Nun ist sein Feuer ausgebrannt, sein Lebensdurst gestillt,
er heißt den Tod willkommen, selbst in der Form dieses Donnerschlags.
Nach einem Leben am äußersten Maximum
bleibt ihm nur noch der Weg in das Martyrium.
„Manche Menschen werden zu Helden,
einfach weil sie zur rechten Zeit am rechten Ort sind,
und ein Leben ohne sie scheint unmöglich.
Aber jetzt ist er tot, und ein Leben ohne ihn ist möglich.
Ein Leben in Freiheit! Er hat es möglich gemacht!“
Müde nach der harten Zeit,
nach jahrelangem Streit
um Unabhängigkeit,
macht der den Schritt
in die Unbekümmertheit,
die weite Ewigkeit,
aus Tränen, Not und Leid
durchs Feuer in den Tod!
Vor ihm der Weg durch das Tal des Martyriums,
über ihm kreisen die hungrigen Geier.
Ein langer Schrei kreischt durch die Reihen des Publikums,
ein sägendes Requiem für den Befreier.
Aufrechten Ganges in das blutrote Ende,
sein einziger Ausweg der gewaltsame Tod.
Vom Reich des Lebendigen ins Reich der Legende,
vom Widerstandskämpfer zum Freiheitsgebot!
Nach einem Leben am äußersten Maximum,
bleibt ihm nur noch der Weg in das Martyrium.
Ein ganzes Volk schreit: „Lang’ genug warn’ wir stumm!
Auf in die Freiheit! Auf in das Martyrium!“
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»Allen habt ihr die Ehre genommen, die gegen euch zeugten, aber dem Martyrer kehrt spät sie doppelt zurück.«
Johann Wolfgang von Goethe / Friedrich Schiller, Xenien
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