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Tränen der Sonne und Hotel Ruanda
I. Historischer Hintergrund
1994 fand in Ruanda ein Völkermord statt, bei dem in nur 100 Tagen etwa eine Million Menschen getötet wurden. Ruanda ist ein Vielvölkerstaat (wobei »Volk« hier im allerweitesten Sinne zu verstehen ist), in dem die Tutsi und die Hutu schon seit langer Zeit in Unfrieden zusammenleben. Früher haben die Tutsi mit der Unterstützung belgischer Kolonialherren die Hutu unterdrückt. Nach Abzug der Kolonialherren wurde den Hutu die Macht übergeben, die dann damit begannen, das Land ethnisch zu säubern und alle Tutsi abzuschlachten.
II. Tränen der Sonne
Der (meines Wissens nach) erste Film zum Thema Ruanda war »Tränen der Sonne« mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Ein sehr schöner Titel, und anfangs schien es mir sogar, als ob der Film seinem Namen gerecht werden könnte. Dann kippte die Story, und aus einem spannenden Kriegsfilm mit interessantem Hintergrund wurde ein sentimentaler, vor Pathos und Heldenverehrung triefender Hollywoodstreifen, dem es vor allem darum zu gehen schien, amerikanische Werte und amerikanisches Soldatentum zu glorifizieren.
Die Handlung
Bruce Willis nimmt sich entgegen seiner Befehle vor, eine Gruppe von Tutsi über die Grenze in Sicherheit zu bringen. Unter seinen Schützlingen befindet sich der Sohn des ruandischen Königs, die »neue demokratische Hoffnung« Ruandas, und so wandelt sich die Mission von Bruce Willis von einer reinen Rettungsmission zu einem Kampf für die Demokratie. Dass ausgerechnet ein Adeliger, der seine Macht ja geerbt und nicht durch repräsentative Wahlen erlangt hat, als die große demokratische Hoffnung präsentiert wird, macht den Film schon reichlich unsinnig. Dass dieser Adelige am Ende des Films zum obligatorischen Sonnenuntergang noch jubelnd amerikanische Hochwertwörter (Demokratie, Freiheit etc.) durch die Gegend plärrt (selbstverständlich in Englisch, nicht in der Synchron- oder Originalsprache) rundet den negativen Eindruck ab, den man in der Zwischenzeit gewonnen hat.
Fazit
Trotz aller Schwächen und Klischees: Immerhin hat der Regisseur von »Tränen der Sonne« die Ereignisse in Ruanda als Erster thematisiert, er zeigt die Grauen dieses Massakers sehr unverhohlen und er kritisiert die offizielle amerikanische Haltung zu diesem Thema (so nach dem Motto: »Was interessieren uns die Neger da unten, dort gibt’s doch nichts Wertvolles zu holen«). Wenn man ein toleranter Zuschauer ist und über die ganzen Hollywood-Zutaten hinwegsieht, dann kann man diesen Film schon mal ansehen – man kann’s aber auch lassen.
III. Hotel Ruanda
Nun zu »Hotel Ruanda«, einem Film von 2005. Im Gegensatz zu »Tränen der Sonne« kein Kriegsfilm, wesentlich unamerikanischer, und höchstwahrscheinlich mit einem viel geringeren Budget gefilmt. In den Hauptrollen spielen Don Cheadle und Sophie Okonedo, zwei Namen, die zumindest mir vorher überhaupt nichts sagten. Bei diesem Film waren meine Erwartungen nicht sonderlich hochgesteckt, sie wurden dann aber deutlich übertroffen.
Die Handlung
Der Held dieser Geschichte ist ein Hutu namens Rusesabagina, der mit einer Tutsi verheiratet ist und sich aus den Konflikten heraushält. Er arbeitet als Manager in einem Nobel-Hotel und ist davon überzeugt, hervorragende Beziehungen zu vielen ausländischen Größen aus Wirtschaft, Militär und Politik geknüpft zu haben. Nachdem das Gemetzel beginnt, reisen seine ausländischen »Freunde« jedoch alle ab und lassen ihn und seine Familie im Stich. Hunderte Tutsi suchen in seinem vollkommen überfüllten Hotel Zuflucht, weil er zu den wenigen einflussreichen Hutu gehört, die trotz ihrer Herkunft und der Bedrohung durch ihre eigenen Leute dazu bereit sind, einem Tutsi zu helfen. Unser Held versucht nun mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (vor allem Bestechung und Diplomatie) sein Hotel und die Flüchtlinge darin vor einer Ausräumung durch die Hutu-Miliz zu beschützen.
Der Kommandant der UN-Truppen in Ruanda, gespielt von Nick Nolte, versucht sein Möglichstes, Rusesabagina zu helfen und das Hotel zu beschützen, was jedoch schwierig ist, da die UN-Truppen stark in der Unterzahl sind und den strikten Befehl haben, nicht zu schießen. Schließlich organisiert dieser UN-Kommandant aber doch noch einen Konvoi, der die Flüchtlinge aus dem Hotel in den Teil von Ruanda transportiert, der von den Tutsi Rebellen erobert wurde. Wären sie auch nur einen Tag länger im Hotel geblieben, hätte die Hutu-Miliz sie höchstwahrscheinlich alle getötet. Ihre Rettung ist also dem UN-Kommandanten, vor allem aber unserem Helden Rusesabagina zu verdanken. Übrigens haben die Tutsi Rebellen letztendlich den Krieg gewonnen. Ansonsten würde heute in Ruanda wohl kaum ein Tutsi mehr am leben sein.
Nach dieser Handlungsbeschreibung dürfte wohl klar sein, wo die filmischen Parallelen liegen: Die Geschichte (angeblich wahr) erinnert stark an Spielbergs »Schindlers Liste« (angeblich auch wahr).
Fazit
Mir hat der Film insgesamt gut gefallen, auch wenn es kein total beeindruckendes episches Meisterwerk ist. Am meisten vermisst habe ich ein paar Details zur Vorgeschichte zu diesem Konflikt, denn ein Hass, der in einem solchen Gemetzel endet, kommt sicherlich nicht von ungefähr. Wenn der Held und einige der Flüchtlinge im Hotel nicht selbst Hutu wären, dann müsste man von Schwarz-Weiß-Malerei sprechen. Andererseits: Wenn eine Million Menschen wahllos mit Macheten abschlachtet werden, dann bleibt wohl nicht viel Raum für Farben oder Grautöne.
Abgesehen von diesen kleineren Mängeln, die wahrscheinlich aus dramaturgischen Gründen unvermeidbar waren, macht der Film keine wirklichen Fehler. Er wird relativ gemächlich erzählt, ohne jemals langatmig zu werden. Die Darsteller sind gut gewählt. Pathos, Sentimentalität und Heldentum nehmen nie überhand. Die Grausamkeiten werden gezeigt und beschrieben, aber nie in einer Art und Weise, die Gemetzel-, Action- und Horrorfans Spaß machen würde und nur dem Selbstzweck dient. Die Geschichte wirkt insgesamt realistisch und an den Tatsachen orientiert. Zweifellos ein viel besserer Film als »Tränen der Sonne«. Was die Ausgewogenheit angeht scheint er mir auch besser als »Schindlers Liste«, wobei es natürlich problematisch ist, Filme über verschiedene Ereignisse miteinander zu vergleichen.
IV. Interpretation und Aussage
Kommen wir zur Aussage dieser Filme. Am offensichtlichsten üben sie Kritik am Westen und an der UN. Es war bekannt, was in Ruanda vor sich geht, und trotzdem hat niemand auch nur einen Finger gerührt. Dabei wäre es in diesem Fall nicht nötig gewesen, ein Golfkriegsszenario zu entwerfen und einen kostenintensiven Krieg mit gewaltigen Armeen, Flugzeugträgern, Panzern und Hi-Tech Waffen zu führen. Die Hutu-Miliz bestand aus einfachen Leuten, kaum einer mit militärischer Ausbildung. Sie waren meistens nur mit Macheten bewaffnet, manchmal vielleicht noch mit Gewehren oder Maschinenpistolen. Ein paar Jeeps und ein paar hundert Berufssoldaten wären ausreichend gewesen, um diesen Massenmord zu verhindern.
Natürlich kann man vor allen Dingen »Hotel Ruanda« als Aufruf zu mehr Toleranz und zur Völkerverständigung interpretieren und darin die Kernaussage sehen. Für mich aber sind die Ereignisse in Ruanda das jüngste Glied in einer langen Kette kultureller Konflikte, die in Blutvergießen oder Völkermord geendet haben. Das Auseinanderbrechen Jugoslawiens, die Konflikte zwischen Kurden und Türken, zwischen Israelis und Palästinensern oder zwischen Russen und Tschetschenen – das alles sind Facetten desselben Phänomens. Nicht immer muss dies wie in Ruanda eine Million Tote zur Folge haben. Die Geschichte lehrt uns aber, dass heterogene Gesellschaften kein Glück mit sich bringen, sondern in mehr oder minderschweren Katastrophen enden. Das Beispiel Ruanda zeigt außerdem, dass Geschichte und Kultur viel wichtiger zu sein scheinen als ethnische Unterschiede, denn die Hutu und Tutsi sind (zumindest so, wie es im Film dargestellt wird) ethnisch eigentlich dieselbe Gruppe.
Ich entnehme diesen Filmen neben der Botschaft, andere Bevölkerungsgruppen nicht blind zu hassen, auch die Warnung, keine sozialen/kulturellen Konfliktzonen zu schaffen (z. B. durch eine verfehlte Zuwanderungspolitik). Das Überbevölkerungsproblem wird in den Filmen leider nicht thematisiert. Experten gehen davon aus, dass die extrem hohe Geburtenrate in Ruanda zu einem Kampf um das wenige verbleibende Land führte, was mit dazu beitrug, dass die Hutu die Tutsi »reduzieren« wollten. Die katholische Kirche (auch das thematisieren die Filme leider nicht) hat nicht nur direkt an den Völkermorden mitgewirkt, sondern durch ihre Verhütungs- und Sexualpolitik auch den Verdrängungswettkampf mitverursacht. Ruanda ist also ein interessantes Thema und diese Filme bieten einen guten Einstieg.
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